Buchbesprechung

von Edwin Schwebbach


In seinem neuen Roman „Zeitschleife auf der ‚8‘“ gelingt es ter Horst großartig Spannung, Unterhaltung und gesellschaftskritische Überlegungen zu kombinieren in einer Geschichte, die den Leser in ihren Bann zieht und immer wieder zu eigenem Nachdenken verführt.
Der Pastor und Seelsorger Johann de Buer (67 Jahre alt), die zentrale Person des Romans, lebt nach einem Gedächtnisverlust in einer psychiatrischen Abteilung und erlebt dabei immer nur zweieinhalb Tage: Mittwoch, Donnerstag und den halben Freitag. Samstag bis Dienstag gibt es in seiner Welt nicht. Was er an den bewusst erlebten zweieinhalb Tagen jeweils am Vortag erlebt hat, hat er am nächsten Tag vergessen. Jeden Mittwoch beginnt eine neue zweieinhalb Tage-Woche, die abrupt am Freitagmittag endet. Daher der Titel „Zeitschleife“. Auf der „8“, weil die Station der Klinik, in der er behandelt wird, die Station Nummer 8 ist.
Aber er hat doch noch einige Erinnerungen an das, was er mit Personen und Ereignissen während der zweieinhalb Tage ganz zu Beginn seines Gedächtnisverlustes erlebt hat: seine Tochter Marilu, sein Freund Holli, die Ablehnung eines Verlags, sein jüngstes Buch zu publizieren, und ein schwerer Unfall auf der Autobahn, den er, seine Tochter und sein Freund ganz knapp unverletzt überlebt haben.
Seither lebt er in der Klinik, hat dort ein kleines Arbeitszimmer und wirkt als Pastor und Seelsorger, wie er es auch vor dem Gedächtnisverlust in Schüttorf gemacht hat. Er macht Krankenbesuche, leitet eine Gesprächsgruppe und hält Andachten. Behandelt wird er von dem Chefarzt Dr. Picard und — wie sich später herausstellt von Frau Dr. Loevenich.
Der Leser fragt sich, warum Johann de Buer diesen Gedächtnisverlust erlitten hat, wenn er sich doch noch an manches aus den zweieinhalb Tagen vor seinem Zusammenbruch erinnern kann. War es der schwere Autounfall, dem er gerade noch entkommen konnte, oder war es die als erniedrigend empfundene Ablehnung der Veröffentlichung seines Buches oder womöglich die Bitte seiner Frau um eine zeitweise Trennung?
Erst im dritten Teil des Romans erhält der Leser die erschütternde und klar überzeugende Antwort auf die Warum-Frage. Im ersten Teil erlebt er mit Johann den Mittwoch, im zweiten Teil den Donnerstag und im dritten Teil ein Stück vom Freitag, weshalb dieser Teil folgerichtig „Frei …“ heißt. An einem „Frei…“-Tag kommt es denn auch zu einer überraschenden Wende, angestoßen durch die Begegnung mit der Psychiaterin und ehemaligen Studentin von Johann de Buer, Frau Dr. Loevenich, einem wahrhaftigen „LöwinIch“, wie sie sich selbst einst genannt hat.
Dem Autor ter Horst gelingt die Kunst, in die Handlung gesellschaftskritische, ökologische, soziologische und theologische Überlegungen einfließen zu lassen, ohne den Erzählfluss zu überfrachten oder die Spannung zu mindern. Auch komplizierte wissenschaftliche Theorien stellt ter Horst überzeugend klar, kurz und sehr gut allgemein verständlich dar.
Dabei stellt ter Horst erzählend, spannend und überzeugend Ideen dar, wie Konsumterror, Ausbeutung der Umwelt oder menschenverachtendes Konkurrenzdenken und gesellschaftliche Konflikte überwunden werden können. Verschiedene Episoden im Roman erzählen von der Solidarisierung der Menschen in der kleinen Gemeinschaft, im Gesprächskreis, in der Nachbarschaft, in der Region. Und ter Horst zeigt, wie Liebe zum Mitmenschen, ihn mit seiner Behinderung anzunehmen und ihm zu helfen, Schritte auf dem Weg zu einem zufriedenen und glücklichen Leben sind.
Durch Humor, Wortspiele und flüssige Dialoge, lustige Situationen schafft es der Autor immer wieder, selbst bedrückende oder frustrierende Erlebnisse für den Leser „leicht“ und freundlich zu erzählen. So die Kindergeschichte von „Trampelmöhrchen“, die Schilderung der „Pfychose“ einer Patientin oder wenn de Buer wie ein Schattenboxer gegen Halluzinationen kämpft.
ter Horst, der selbst Pastor und Seelsorger ist, gelingt es in diesem Roman, das äußerst schwierige Thema eines Menschen, der unter Gedächtnisverlust und einem schweren Trauma leidet, durchweg positiv, ja auch mit Humor, zu gestalten. Die Geschichte vermittelt Hoffnung und christliches Fühlen und Denken. Dazu passt auch, dass ter Horst „nebenbei“ das Gleichnis vom barmherzigen Samariter neu und überraschend auslegt.
Es lohnt sich unbedingt, den Roman zu lesen, weil er durchweg positiv ist, ohne Probleme unserer Gesellschaft zu verschweigen, und weil er Hoffnung aufzeigt.
Jeder (christliche) Gesprächskreis sollte den Roman als Basis für Anregungen zu Gesprächen und Diskussionen nehmen.

Edwin Schwebbach

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